Soziale Bildungsungleichheit
Deutschland ist eines der in PIAAC untersuchten Länder, in denen der eigene Bildungsstatus eine besonders große Rolle bei der Erklärung der Unterschiede in den Grundkompetenzen spielt (OECD 2024, S.72-73). Die Grundkompetenzen, über die Erwachsene in Deutschland verfügen, hängen also besonders stark mit dem eigenen Bildungsniveau zusammen. Personen ohne Sekundarabschluss erreichen in der Lese- und alltagsmathematischen Kompetenz einen Skalenwert, der durchschnittlich mehr als 100 Punkte geringer ist als von denjenigen, die tertiäre Bildung abgeschlossen haben. Beim Herausrechnen der demografischen Faktoren reduziert sich die Differenz zwar, bleibt jedoch trotzdem über dem OECD-Durchschnitt.
Die Skalen gehen von 0 bis 500. Im Lesen erreichen Erwachsene in Deutschland durchschnittlich 266 Punkte, in der Alltagsmathematik 273 Punkte und im Adaptiven Problemlösen 261 Punkte.
Nicht nur der eigene Bildungsabschluss hat aber Auswirkungen auf die Grundkompetenzen im Erwachsenenalter. Auch der Bildungsabschluss der Eltern der Befragten ist in Deutschland ein besonders starker Prädiktor für die Grundkompetenzen als Erwachsene. Wird dieser Faktor betrachtet, wird deutlich, dass Deutschland in allen drei untersuchten Kompetenzbereichen (Lesen, Schreiben, Adaptives Problemlösen) sogar den größten Unterschied aller Länder aufweist. So liegt der durchschnittliche Unterschied auf der Kompetenzskala in der Lese- und in der Alltagsmathematikkompetenz zwischen denjenigen, deren Eltern keinen Sekundarschulabschluss haben, und denjenigen, bei denen mindestens ein Elternteil einen tertiären Abschluss erworben hat, bei über 70 Skalenpunkten. Werden die demografischen Faktoren jedoch herausgerechnet, verringert sich dieser Unterschied um mehr als die Hälfte, bleibt aber dennoch über dem OECD-Durchschnitt (OECD 2024, S. 91-94). Im Rahmen von PISA 2022 wurde ebenfalls der höchste Bildungsabschluss der Eltern als Item erhoben und zusammen mit anderen Indikatoren (höchste beruflicher Status der Eltern und Privateigentum) in einem Gesamtkonstrukt erfasst, das den sozioökonomischen Status der Schüler beschreibt. Die Ergebnisse zeigen auch hier deutlich, dass das deutsche Schulsystem soziale Ungleichheiten stärker reproduziert als der OECD-Durchschnitt. (OECD, 2023) Auch die erste LEO-Studie aus dem Jahr 2012 zeigte, dass die Wahrscheinlichkeit im Erwachsenenalter über geringe Lese- und Schreibkompetenzen zu verfügen deutlich ansteigt, wenn die Eltern über keinen oder nur einen Hauptschulabschluss verfügen (Grotlüschen, et al. 2012).
Literaturhinweise
Grotlüschen, Anke; Riekmann, Wibke; Buddeberg, Klaus (2012): Hauptergebnisse der leo. - Level-One Studie. In: Anke Grotlüschen und Wibke Riekmann (Hg.): Funktionaler Analphabetismus in Deutschland. Ergebnisse der ersten leo. - Level-One Studie. Münster [u.a.]: Waxmann (Alphabetisierung und Grundbildung, 10), S. 13–53. https://www.waxmann.com/buecher/Funktionaler-Analphabetismus-in-Deutschland
OECD (2023): PISA 2022 Results (Volume I): The State of Learning and Equity in Education. Paris: OECD Publishing https://doi.org/10.1787/53f23881-en
OECD (2024): Do Adults Have the Skills They Need to Thrive in a Changing World? Survey of Adult Skills 2023. Paris: OECD Publishing (OECD skills studies). https://doi.org/10.1787/b263dc5d-en