Studie
Zielgruppe
Das PhyDiv-Projekt richtete sich an Hamburger Stadtteilschulen in sozial benachteiligten Stadtteilen (Sozialindex 1–3), an denen ein großer Teil der Schülerschaft neben Deutsch auch weitere Sprachen im Alltag nutzt.
Die Studie wurde an sieben Schulen mit insgesamt 31 Klassen der Jahrgangsstufe 9 durchgeführt.
Studiendesign
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine quasi-experimentelle Interventionsstudie durchgeführt. Im Zentrum stand Physikunterricht zum Thema Energie, der in drei unterschiedlichen Unterrichtsvarianten erteilt wurde (Schauer et al., 2023):
SEU (Sprachexpliziter Unterricht):
Fachliches Lernen wird mit sprachlichem Lernen verknüpft. Deutsch ist durchgängig Unterrichtssprache. Sprachziele werden explizit thematisiert, ko-konstruktive Aufgabenbearbeitung erfolgt in Paar- oder Gruppenarbeit, Ergebnisse werden im Plenum sprachlich und inhaltlich aufgearbeitet. Mikro-Scaffolding unterstützt die Verständnissicherung; Methodenwerkzeuge fördern bildungs- und fachsprachliche Ausdrucksfähigkeit.
SEUM (Sprachexplizit + Mehrsprachigkeit):
Aufbauend auf SEU wird hier zusätzlich die Nutzung der Herkunftssprachen angeregt. Schüler:innen mit gleicher Familiensprache arbeiten in Gruppenphasen gemeinsam in ihrer Herkunftssprache. Ergebnisse werden anschließend auf Deutsch präsentiert und besprochen.
K (Kontrollgruppe):
Physikunterricht ohne explizite Sprachförderung oder Mehrsprachigkeitsbezug, jedoch inhaltlich gleich und qualitativ hochwertig.
Alle Varianten basieren auf einem gemeinsam entwickelten Unterrichtsskript zum Konzept Energie und wurden von geschulten Lehramtsstudierenden und Doktorand:innen im Fach Physik durchgeführt. Der Unterricht orientierte sich an etablierten Qualitätsdimensionen wie Struktur, Lernunterstützung, kognitiver Aktivierung und Umgang mit Fehlern (vgl. Klieme, 2022).
Zur Qualitätskontrolle (Treatment-Check) wurden alle Unterrichtsstunden mithilfe eines standardisierten Beobachtungsbogens durch Projektmitarbeitende dokumentiert. In ausgewählten Stunden wurden Gruppenarbeitsphasen mit 360°-Kameras aufgezeichnet. Zusätzlich wurde dreimal während der Intervention schriftliches Schüler:innenfeedback zur Unterrichtsqualität eingeholt.
Erhebungen und Instrumente
Die Wirkung der Unterrichtsvarianten wurde in einem Längsschnittdesign mit Pre-, Post- und Follow-up-Test erfasst:
Pre-Test (1 Woche vor Unterrichtsbeginn):
Erhebung von Energiewissen (22 MC-Items), Fachinteresse, Selbstkonzept Physik, Einstellung zum Fach, non-verbale kognitive Fähigkeiten (KFT 4-12), Deutschkenntnissen (C-Tests), Herkunftssprachenkompetenz (Selbsteinschätzung nach Klinger 2022) sowie soziodemografischen Merkmalen (z. B. Migrationsbiografie, Bildung der Eltern, Sprachgebrauch zu Hause).
Post-Test (direkt nach dem sechswöchigen Interventionsunterricht):
Wiederholung der Messung zu Energiewissen (MC + Schreibaufgabe), Interessen, Selbstkonzept und Einstellungen. Zusätzlich: Grundwissen in Naturwissenschaften (Feser & Höttecke 2023), Einstellungen zu Sprachbildung/Mehrsprachigkeit, Sprachkompetenz in Russisch/Türkisch (C-Tests, MEZ 2020; Schüler-Meyer et al., 2019).
Follow-up-Test (ca. 12 Wochen später):
Erneute Messung von Energiewissen, Selbstkonzept und Interesse.