Leitfragen
Literacy in Diversity Settings – Sprache und Bildung im 21. Jahrhundert
Sprachliche Diversität ist ein Grundmerkmal differenzierter Gesellschaften. Für das Anwachsen (schrift-) sprachlicher Diversität auch in der deutschen Gesellschaft sind Faktoren verantwortlich wie
- soziale Differenzierung,
- Migration, Internationalisierung und globale Verflechtung der Ökonomie sowie
- die Entwicklung von Informations- und Kommunikationsmedien, die Verständigung ohne Einschränkung durch traditionelle Orts- und Zeitgrenzen ermöglichen.
Sprachliche Diversität in der deutschen (wie in jeder anderen differenzierten) Gesellschaft ist komponiert aus Koexistenzen:
- der Koexistenz von konkreten Sprachen: von Deutsch als „altansässiger“ Sprache über Dänisch, Friesisch, Sorbisch als „altansässigen Minderheitensprachen“ bis zu „zugewanderten“ Sprachen - von A wie Amharisch, das in Äthiopien, Eritrea, Dschibuti und Kenia gesprochen wird, bis Z wie Zaza, das in der Türkei, im Irak, in Georgien, Kasachstan, Russland, dem Iran, Jordanien, Syrien gesprochen wird – und eben auch in Deutschland;
- der Koexistenz von Varietäten (von Standardvarianten bis zu Dialekten oder den „Jargons“ von Gruppen, wie Formen der Jugendsprache);
- der Koexistenz von Modalitäten der Sprache (wie Lautsprache, Gebärdensprache, Schrift), und
- der Koexistenz von Registern, also den speziellen Ausdrucksweisen von Expert(inn)en für Fachgebiete – Unterrichtsfächer in der Schule, spezielle Ausdrucksweisen in Berufen oder wissenschaftlichen Disziplinen, aber auch in den Kommunikationsgemeinschaften spezieller Interessensgebiete, Hobbies.
Für jedes einzelne Mitglied einer Gesellschaft ist ein möglichst weitreichendes Verfügen über Komponenten der sprachlichen Vielfalt erstrebenswert. Je umfangreicher das sprachliche Repertoire einer Person ist, desto höher sind ihre Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe. Dies schließt die Fähigkeit dazu ein, sich schriftlich auszudrücken.
Die Fähigkeit zum Verstehen und Verwenden von Schrift wird international mit „Literacy“ bezeichnet. Dabei geht es nicht nur um Lesen und Schreiben im engen Sinne, sondern um den Umgang mit Zeichensystemen unterschiedlichen Typs – neben Schriftzeichen etwa den Formeln und Symbolen des mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereichs. Diesem Verständnis von Literacy kommt im Deutschen der Begriff der Bildung nahe, konzentriert auf die Fähigkeit zum Verstehen und Verwenden von Sprache – auch in der Form der Schrift. Literacy stellt somit die Voraussetzung für die Möglichkeit gesellschaftlicher Teilhabe und der nachhaltigen Gestaltung der Gesellschaft dar. Die Entwicklung und Förderung von Literacy in diesem Sinne beginnt in der vorschulischen Bildung, und sie endet nicht mit dem Absolvieren des Schulsystems, sondern findet Fortsetzung im beruflichen oder tertiären System („vocational“ oder „academic literacy“). Die Forschung in Forschungszentrum und Profilinitiative orientiert sich daher am Konzept des lebenslangen Lernens, schließt also (Grund-)Bildung von der frühen Kindheit bis in das Erwachsenenalter ein.
Die gemeinsame Leitfrage von Forschungszentrum und Profilinitiative LiDS lautet „Wie gelingt nachhaltige sprachliche Bildung im Kontext der Diversität?“. Inhaltliches Ziel ist es, die bildungsrelevanten Konsequenzen der sprachlichen Diversität zu identifizieren und damit einerseits grundlegende Erkenntnisse über Bildung im 21. Jahrhundert zu erarbeiten, andererseits wissenschaftlich tragfähige Grundlagen für die Gestaltung der Bildungspraxis anzubieten. Diesem Ziel geht das Forschungszentrum und Profilinitiative in drei Forschungsschwerpunkten nach:
Schwerpunkt I: Sprachliche Bildung im Lebensverlauf
Schwerpunkt II: Sprachliche Bildung, Multilingualität und Multimodalität
Schwerpunkt III: Sprachliche Bildung in der fachlichen Bildung
Aktuelle Projekte, die von Mitgliedern des Forschungszentrum und Profilinitiative geleitet werden, finden Sie hier.
Es bestehen Verbindungen zum Forschungsschwerpunkt „Linguistic Diversity“ der Fakultät für Geisteswissenschaften.