Zur Wahl in den DFG-Senat: LiDS Mitglied Prof. Miriam Beblo im Interview
5. August 2025

Foto: HRA/Sommer
Als assoziiertes LiDS-Mitglied und Professorin für VWL, insb. Arbeitsmarkt, Migration, Gender, bereichert Miriam Beblo seit langem die LiDS-Aktivitäten um ihre wertvollen Perspektiven aus der Ökonomie. Ab dem 01. Januar 2026 wird sie nun auch den Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) verstärken und die Wirtschaftswissenschaften dort vertreten. Der Senat der DFG ist das zentrale wissenschaftliche Organ der DFG und ist zuständig für wesentliche Fragen der Forschungsförderung. Das Forschungszentrum LiDS gratuliert sehr herzlich zur Wahl in den DFG-Senat!
Wir haben mit Miriam Beblo über ihre Sicht auf diese neue Position und ihre spannenden Forschungsprojekte zum Gender Pay Gap und der vermeintlich geschlechtsspezifischen Wettbewerbsneigung gesprochen. Außerdem haben wir nachgefragt, welche Bedeutung die LiDS-Mitgliedschaft für sie als assoziiertes Mitglied hat.
Larissa Cosyns: Du bist sowohl Prodekanin für Wissenschaftskultur und Karriereentwicklung als auch stellvertretende Direktorin der Hamburg Research Academy. Dein Terminkalender ist vermutlich gut gefüllt. Wieso folgst du trotzdem den Ruf in den DFG-Senat?
Miriam Beblo: Langweilig wird mir auf jeden Fall jetzt schon nicht, das ist richtig. Neben diesen beiden Posten habe ich natürlich auch noch mein Tagesgeschäft als Professorin. Ich mache Lehre, forsche und betreue meine Doktorand:innen und das macht mir auch wirklich sehr viel Spaß. Im Senat bin ich dann ab dem 1. Januar 2026. Dort geht es vor allem um die strategische Ausrichtung der Forschungsförderung in Deutschland und ich hatte den Eindruck, dass die Aufgaben im DFG-Senat gut mit meinen anderen Funktionen zusammenpassen. Ich möchte Forschungsbedingungen verbessern, insbesondere für Personen im frühen Stadium ihrer Forschungskarriere, und so gute Forschung ermöglichen. Auch in den frühen Karrierephasen sollte man partizipieren können und eine Stimme bekommen. Diese Perspektive möchte ich versuchen, in den Senat einzubringen.
Darüber hinaus möchte ich Interdisziplinarität stärken. Ich bin zwar als Wirtschaftswissenschaftlerin gewählt, arbeite aber schon lange interdisziplinär und möchte im Senat darauf achten, dass Forschungsförderlinien Interdisziplinarität zulassen und dies in der Förderpraxis auch gelebt wird.
Larissa Cosyns: Welche Themen werden deiner Ansicht nach für die Forschungsförderung in Zukunft relevant sein?
Miriam Beblo: Ich glaube, dass es gar nicht so sehr Aufgabe der DFG bzw. des DFG-Senats sein sollte, Themen vorzugeben, sondern dass diese von den Forschenden selbst kommen sollten. Im besten Falle werden Forschungslücken entdeckt, die nicht nur akademische Lücken darstellen, sondern auf die auch die Gesellschaft dringend Antworten braucht. Deswegen gibt es von der DFG i.d.R. keine thematischen Ausschreibungen, mit Ausnahme von Schwerpunktprogrammen natürlich, sondern v.a. Strukturen, in denen Forschende dann Themen unterbringen können. Ich finde das eine gute Arbeitsteilung. Die DFG sorgt für den Rahmen, innerhalb dessen Forschungsvorhaben qualitätsorientiert ausgesucht werden. Die Themen kommen dann von den Forschenden selbst.
Larissa Cosyns: Du bist außerdem bereits Mitglied in der DFG-Arbeitsgruppe für For-schungsorientierte Gleichstellungs- und Diversitätsstandards. Was hast du aus dieser Tätigkeit ziehen können?
Miriam Beblo: Das Interessante bei dieser Arbeitsgruppe ist die Zusammenarbeit mit den anderen Expert:innen und den Hochschulleitungen. Wir hatten z.B. gerade einen Workshop, in dem wir uns mit der Frage nach besseren Strukturen an den Universitäten für forschungsorientierte Gleichstellungs- und Diversitätsstandards beschäftigt haben. Für solche Fragen sind Gleichstellungs- oder Diversitätsbeauftragte an Universitäten zuständig und da besteht die Gefahr der Arbeitsteilung. Die Leitungsebene kümmert sich nicht unbedingt im Tagesgeschäft um diese Themen. In der AG arbeitet man gemeinsam mit den Hochschulleitungen daran. Dadurch habe ich den Eindruck, dass man tatsächlich etwas bewirkt und wenn es nur die Sensibilisierung ist.
Larissa Cosyns: In deiner Arbeit als Professorin für Volkswirtschaftslehre forschst du zu den Themen Arbeit, Migration und Gender. An welchem Projekt arbeitest du momentan?
Miriam Beblo: Wie die meisten arbeite ich an mehreren parallel. Besonders macht es mir Spaß, mit meinen Mitarbeitenden zusammen an Projekten zu arbeiten. Einerseits kann ich so weitergeben, wie Forschung funktioniert. Andererseits kann ich von meinen Mitarbeitenden auch neue Methoden lernen.
In einem Projekt gehen wir gerade einer These von Claudia Goldin, Nobelpreisträgerin für Wirtschaftswissenschaften im Jahr 2023, nach. Sie identifiziert die ständige Verfügbarkeit in bestimmten Jobs als den wichtigsten verbleibenden Erklärungsfaktor für den Gender Pay Gap. Rund um die Uhr für den Job verfügbar und alles andere ist zweitrangig, z.B. Privatleben und Familie. Wer das leisten kann bzw. will, ist geschlechtsspezifisch verteilt. Bei solchen Jobs ist der Lohnanstieg nicht linear, , also für 80 Stunden das Doppelte wie für 40, sondern vielleicht das Fünffache. Die ständige Verfügbarkeit wird wahnsinnig honoriert und trägt maßgeblich zum Gender Pay Gap bei. In unserem Projekt möchten wir diese Anforderungen im Job genauer untersuchen. Können wir ähnliche Muster wie in den USA, identifizieren oder sind die Zusammenhänge in Deutschland doch anders?
In einem anderen Projekt schauen wir uns einen anderen beliebten Erklärungsfaktor von unterschiedlichen Ergebnissen von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt an: Die angeblich geringere Wettbewerbsneigung von Frauen. Es heißt, Frauen würden sich weniger gerne in Situationen begeben, in denen Wettbewerb herrscht. In unserem Projekt haben wir in einer Metaanalyse , einer Gesamtschau aller relevanten Studien, herausgefunden, dass es tatsächlich eine große Brandbreite der Wettbewerbsneigungen gibt. Es gibt Situationen oder Kontexte, in denen Frauen und Männer gar nicht so unterschiedlich agieren. Solche Situationen kann man im Betrieb herstellen. Man kann dann Unternehmen sagen, wenn ihr diese oder jene Umgebung schafft oder wenn ihr euer Entlohnungssystem oder euer Befördungssystem so konzipiert, dann habt ihr auch die Frauen mit im Rennen. Die Folgefrage ist nun natürlich: Wollen wir das überhaupt? Deshalb schauen wir uns als nächstes an, ob es nicht am Ende sogar so ist, dass die Männer zu viel Wettbewerb machen. Denn am Ende wollen wir ja nicht alle im Wettbewerb, sondern v.a. diejenigen, die richtig gut darin sind. Wir möchten herausfinden, wer das eigentlich ist. Dazu brauchen wir die Originalstudien mit den Originaldaten und das ist aufwändig. Der Förderantrag bei der DFG läuft…
Larissa Cosyns: Du bist bereits seit einigen Jahren assoziiertes Mitglied bei LiDS. Welchen Mehrwert hat die Mitgliedschaft für deine Arbeit?
Miriam Beblo: Für mich bietet LiDS die einmalige Möglichkeit, Anschluss an Kolleginnen mit meinem Interesse an Language Economics zu finden. Language Economics ist in der VWL ein sehr kleiner Bereich, der nur von sehr wenigen Personen bespielt wird, kaum in Deutschland und erst recht nicht an der Universität Hamburg und der WiSo-Fakultät, oder gar unter meinen VWL-Kolleg:innen. Ich bekomme über LiDS also den Anschluss an Fragen, wie z.B. Sprache kognitiv wirkt, wie grammatikalische Strukturen oder die Geschlechterdifferenzierungen einer Sprache das Leben und Handeln einer Person beeinflussen können. Deshalb suche ich das Gespräch mit Kolleg:innen, die Sprache oder Sprachlernen beforschen, oder auch die Auswirkungen und Bedingungen von Multilingualität und verschiedene Formen von Literalität beforschen.
Ein anderer Bereich, der mich interessiert ist die Mehrsprachigkeit. Ein ökonomisch interessantes Forschungsfeld ist beispielsweise, wie sich Mehrsprachigkeit auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Ein anderes Forschungsfeld wäre Literalität breiter zu definieren und dort auch finanzielle Literalität und Numeralität miteinzubeziehen. Das sind so Fragen wie: Wie viel Numeralität ist notwendig für Partizipation und ökonomische Eigenständigkeit? Da kommuniziere ich gerne mit dem Team von Anke Grotlüschen, weil sie mit den PIAAC- und LEO-Daten arbeiten bzw. diese selbst erhoben haben. Auch für die ökonomische Perspektive kann ich diese Daten sehr gut verwenden und für meine Fragestellungen auswerten. Ich kommuniziere und kooperiere auch mit dem Team um Ingrid Gogolin, beispielsweise mit Irina Usanova und Birger Schnoor. Im MEZ-Panel wurden Schüler:innen über einen längeren Zeitraum befragt und ihre Sprachenwelten erfasst. Diese Schüler:innen münden jetzt in den Arbeitsmarkt ein und nun kann man schauen, was aus ihnen geworden ist. Das sind interessante Daten, an die man ökonomisch gut andocken kann. Außerdem lerne ich eine Menge in den vielen anderen LiDS-Aktivitäten, z.B. der Ringvorlesung. Und schließlich ist es auch einfach ein Haufen netter Leute bei LiDS.
Wer jetzt neugierig geworden ist und die eigene Financial Literacy ausbauen möchte, kann dies mit dem Comic „Money Matters – Ein Comic Essay über Geld“ von Miriam Beblo (zusammen mit Julia Schneider und Pauline Cremer) tun: https://www.moneymatters.art/
Die gemeinsame Publikation mit dem Team von Anke Grotlüschen finden Sie hier:
Wer macht den Papierkram? Die Rolle von Literalität, finanzieller Kompetenz und Geschlecht bei der administrativen Aufgabenteilung im Haushalt, (2023) (with D Becker, A Grotlüschen), in: Interdisziplinäre Analysen zur LEO-Studie 2018 – Leben mit geringer Literalität: Vertiefende Erkenntnisse zur Rolle des Lesens und Schreibens im Erwachsenenalter, Springer VS; Springer Fachmedien, edited by A. Grotlüschen, K. Buddeberg, & H. Solga, Edition ZfE: Vol. 14, 93–118. (Siehe Comic-Seite).
Das Interview wurde von LiDS Koordinatorin Larissa Cosyns geführt.