Hub of Educational ResearchWeniger Zeit mit Technik – mehr Zeit für Forschung
3. Dezember 2025, von Antonia Hofmann

Foto: UHH
Am 19. November 2025 eröffnete das neue Hub of Educational Research (HER), eine offene Forschungsinfrastruktur für alle Forschenden der Fakultät für Erziehungswissenschaft. Wie kam es dazu? Was ist das Besondere daran? Und was bedeutet das für die Forschung an der Fakultät? Darüber haben wir mit Prof. Dr. Freydis Vogel, wissenschaftliche Leiterin des HER, und Prof. Dr. Barbara Hänel-Faulhaber, Prodekanin für Forschung und akademische Karrierewege an der Fakultät für Erziehungswissenschaft, gesprochen.
Was ist das Hub of Educational Research (HER)?
Barbara Hänel-Faulhaber: Kurz gesagt ist das Hub of Educational Research eine neue Forschungsinfrastruktur, die unsere Forschung nicht nur unterstützt, sondern stärkt. Mit Hilfe neuer Technologien, Know-how und guter Netzwerkarbeit soll erziehungs- und bildungswissenschaftliche Forschung gezielt unterstützt werden. Das ist die übergeordnete Ebene. Ganz konkret sind es einerseits Räume, in denen mit unterschiedlichen methodischen Zugängen und umfassender Technologie Forschungsdesigns ko-konstruktiv entwickelt und durchführt werden können. Und andererseits ist es Expertise: Uns stehen Profis zur Seite, die uns von der Entwicklung, über die Durchführung und Auswertung bis zur Nachnutzung kompetent begleiten. Wenn beispielsweise der Lernprozess oder die Gruppendynamik einer Lerngruppe begleitet und aufgezeichnet wird, entstehen Unmengen an Daten. Da braucht es jemanden, der weiß, wie diese Daten auswertbar und vor allem nachhaltig nutzbar gemacht werden können. Im HER haben wir sowohl die Technologien als auch vor allem die Leute, die das können, zentral vereint. Das ist der große Mehrwert dieser Infrastruktur.
Was bedeutet das für die Forschung an der Fakultät für Erziehungswissenschaft?
Freydis Vogel: Das HER soll es allen Forschenden der Fakultät ermöglichen, an einer Community teilzuhaben, in der inhaltliche, methodische und technische Expertise ausgetauscht und weiterentwickelt wird.Besonders dem wissenschaftlichen Nachwuchs an der Fakultät wird dadurch die Gelegenheit geboten an vielen Punkten in der eigenen Forschung Unterstützung zu erfahren, auf die Entwicklung der eigenen Expertise zu fokussieren und diese auch an andere weiterzugeben. So können durch den Austausch mit anderen am HER gemeinsam innovative Forschungsideen entwickelt oder methodische Ansätze kombiniert werden, was den Erkenntnisgewinn erweitert. Technisch bekommen Forschende während der Konzeption und Durchführung eines Projektes dabei Unterstützung. Zum Zeitpunkt der Durchführung einer Studie können sie sich ganz auf das Experiment fokussieren und gleichzeitig darauf vertrauen, dass die Technik läuft. Ein weiteres Beispiel ist der Datenschutz: Welche neuen Entwicklungen sind datenschutzkonform? Welche sind es nicht? Für solche Fragen ein Team zu haben, das am Zahn der Zeit ist und kompetent beraten kann ist extrem wichtig, um den Schutz der Daten der Teilnehmenden gewährleisten zu können.
Welche strategische Rolle spielt das Hub of Educational Research für die Fakultät?
Barbara Hänel-Faulhaber: Mit dem HER werden unsere Forschungsaktivitäten gebündelt. Das hat den charmanten Effekt, dass wir mit unserer Forschung viel sichtbarer werden, sowohl inner- als auch interfakultär. Gute Forschung ist nie nur das Ergebnis individueller Anstrengungen. Sie braucht Infrastruktur – materielle, technische und konzeptionelle. Und sie braucht einen Ort, an dem Austausch, Reflexion und Kooperation möglich ist und an dem man auch mal innovative Methoden ausprobieren kann. Mit der neuen Forschungsinfrastruktur haben wir jetzt einen solchen Ort – ein Hub mit bildungs- und erziehungswissenschaftlicher Forschungspower!

Dadurch, dass sich alles an einem Ort abspielt, kommen Personen, die zu ähnlichen Themen forschen, viel schneller in Kontakt. Auch haben die Mitarbeitende des HER den Überblick und wissen genau, welche Projekte vor Ort geplant und/oder durchgeführt werden. Das ist ein riesen Vorteil! Es ist dadurch viel einfacher, sich in Verbünden zusammenzufinden und idealerwiese drittmittelfinanzierte Forschung zu generieren.
Gibt es konkrete Beispiele, wie das HER genutzt wird oder werden kann?
Freydis Vogel: Schon vor der Eröffnung haben wir erste Pilotprojekte in den Räumen des HER durchgeführt – auch um die Strukturen zu testen. In einem Projekt ging es darum, dass Lehrkräfte simulierte, auf Videos aufgenommene Unterrichtssituationen beobachten, analysieren und ein Feedback für die gezeigte Lehrkraft erstellen. Das Solo Lab wurde in dieser Studie genutzt, damit die Teilnehmenden individuell am PC mit den digitalen Unterrichtsvideos arbeiten und sich online mit anderen austauschen können. Hierbei bietet das Solo Lab Bedingungen, in denen Störfaktoren von außen auf ein Minimum reduziert sind. Das ist für alle Studien wichtig, in denen über viele Personen und Zeitpunkte hinweg gleichbleibende Bedingungen gefragt sind. Das ist vor allem auch der Fall, wenn in kurzen Zeitabschnitten eine hohe Konzentration verlangt wird, um beispielsweise kognitive Prozesse zu untersuchen. Wenn hier Reaktionszeiten im Bereich von Millisekunden relevant sind, muss für die Teilnehmenden eine entsprechende störungsarme Umgebung vorhanden sein. Das Group Lab ist größer. Wir haben dort Platz für bis zu 30 Personen. Dort wird aktuell ein Projekt durchgeführt, bei dem die Teilnehmenden Programmieren lernen. An Gruppentischen arbeiten die Teilnehmenden gemeinsam an Programmieraufgaben mit kleinen programmierbaren Robotern.
In Studien, wie diesen beiden Pilotstudien, interessiert uns, wie Teilnehmende lernen, wie sie zu ihren Ergebnissen gekommen sind und was ihnen dabei geholfen hat. Dazu müssen wir uns den Prozess genau anschauen: Was haben die Teilnehmenden wann besprochen? Was haben sie individuell am Rechner eingegeben? Die im Group Lab und im Solo Lab integrierte Technik erlaubt es den Forschenden, synchron eine Menge an Audio- und Videodaten sowie weitere relevante Daten zu erfassen. Im Group Lab können wir durch variable Kameras, die Prozesse an den Gruppentischen genau anschauen. Mit kleinen Ansteckmikrofonen für die Teilnehmenden und Deckenmikrofonen hört man super klar, was die einzelnen Personen sprechen und welche Dynamik der gemeinsame Austausch in der Gruppe hat. Die Auswertung solcher Aufnahmen ist sehr wichtig, um den Lernprozess analysieren und Erkenntnisse für beispielsweise notwendige Lernunterstützung zu gewinnen. Gerade bei computerbasierten Settings ist es auch wichtig, die Bildschirmaktivitäten mit aufzuzeichnen, also was wann und mit welchen begleitenden Gruppeninteraktionen am PC oder Tablet durchgeführt wird. All das ist im Group Lab und Solo Lab technisch eingerichtet und die Nutzung wird am HER begleitet und unterstützt.
Barbara Hänel-Faulhaber: Ein anderes Beispiel ist die Klassenraumforschung. Im Group Lab ist Platz für eine ganze Klasse inklusive Lehrkraft. Wir haben also die Möglichkeit, uns nicht nur Individuen und Kleingruppen, sondern eine gesamte Klassendynamik genauer anzuschauen und dabei mögliche Interventionen in ihrer Wirkkraft gezielt herauszuarbeiten.
Gruppenlernprozesse und Klassenraumsituationen können auch im Feld, also in der Klasse selbst, erforscht werden. Wann lohnt sich das Group Lab?
Freydis Vogel: Auf jeden Fall kann und sollte man Gruppenprozesse auch in einer Klasse oder im Seminarraum beobachten. Dies wird auch am HER sowohl technisch als auch methodisch unterstützt.

Im Unterschied zu solcher Feldforschung haben wir im Group Lab bessere technische Voraussetzungen. Bei größeren Gruppen kommt man da mit mobilen Geräten schnell an Grenzen. Bei einer Umsetzung größerer Beobachtungen mit Laptops und Kameras im Feld, ist quasi vorprogrammiert, dass man bei der Sichtung der Daten entdeckt, dass irgendwas abgestürzt ist, die Audio- und Videodaten nicht klar oder synchron sind und weitere Schwierigkeiten. Sowohl Forschende als auch Teilnehmende nehmen sich viel Zeit für die Durchführung der Forschung. Um hier nachhaltig Forschungsdaten zu sammeln, stellt die Technik am HER sicher, dass der Verlust oder die Unbrauchbarkeit von Daten möglichst geringgehalten wird.
Neben der technischen Seite gibt es noch die Frage nach dem Verhältnis zwischen Feld- und Laborforschung. Das Klassenzimmer ist die natürliche Lehr-Lernumgebung und auch der Ort, wo man die Effekte sehen möchte. Aber wenn ich grundlegende Mechanismen verstehen will, können meine Ergebnisse im Klassenzimmer beeinflusst werden. Eine Baustelle vorm Fenster, eine Schulglocke, die klingelt, jemand kommt unangemeldet rein, usw. Im Group Lab können wir die Bedingungen immer gleich halten. Das eine kann das andere aber nicht ersetzen. Am Ende kommt es auf die Forschungsfrage an, ob ich meine Daten im Labor oder im Feld erhebe.
Barbara Hänel-Faulhaber: Die Räume machen das HER greifbar und erfahrbar. Das bedeutet aber nicht, dass wir die Laborforschung stärker gewichten. Durch die Infrastruktur stärken wir auch die Feldforschung. Das Team des HER berät und unterstützt auch in Fragen der Feldforschung. Außerdem haben wir eine fantastische Ausstattung, die für die Feldforschung eingesetzt werden kann.
Das HER bietet nicht nur Labs und mobile Infrastruktur zur Datenerhebung, sondern auch ein Studio. Wozu?
Barbara Hänel-Faulhaber: Das Studio ist eine sehr kostbare Ressource, die strategisch vor allem den Transfer unterstützt. In unserem heutigen Selbstverständnis sind Wissenstransfer und Forschung eng miteinander verbunden. Im Studio können wir hochwertiges Video- und Audiomaterial aufnehmen und so Erkenntnisse aus der Forschung angemessen aufbereitet an die interessierte Öffentlichkeit bringen. Außerdem können wir konkrete Inhalte für die Praxis erstellen. Im gebärdensprachlichen Kontext zum Beispiel: Dort können wir im Studio hochwertige Gebärdensprachvideos und gute Bildmaterialien produzieren und somit barrierefreie Kommunikation unterstützen.
Welche Herausforderungen gab es beim Aufbau und der Entwicklung des HER?
Barbara Hänel-Faulhaber: Wir haben gemerkt: Die Digitalisierungsstrategie lässt sich nicht immer mit dem Denkmalschutz so ohne Weiteres vereinen.
Freydis Vogel: Die Menge an Kabeln, die für den Aufbau einer solchen Infrastruktur verlegt werden müssen, ist nicht zu unterschätzen!
Hub of Educational Research
Im Hub of Educational Research bieten die Kolleg:innen des eScience-Büro Angebote zur Entwicklung von Forschung an. Das HER steht allen Forschenden der Fakultät und ihren Kooperationspartner:innen zur Verfügung. Im Hub of Educational Research werden auch Räume und Technik zur Durchführung von Forschungsprojekten angeboten. Diese umfassen ein Group Lab für Kleingruppen bis zu 30 Personen, ein Solo Lab mit 9 Einzelarbeitsplätzen, ein Studio für professionelle Audio-/Videoproduktionen und mehrere weitere Funktionsräume. Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Hub of Educational Research.

