HeLeA
Heterogenität in der Lehrerbildung von Anfang an
Antragsteller
Prof. Dr. Marcus Schütte
Fakultät für Erziehungswissenschaften, Institut Erziehungswissenschaft, Professur für Grundschulpädagogik/Mathematik der Technischen Universität Dresden
Prof. Dr. Funke
Fakultät für Erziehungswissenschaften, Institut Erziehungswissenschaft, Professor für Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Quantitative Methoden
Prof. Dr. Hermann Körndle
Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften (einschließlich Psychologie), Fachrichtung Psychologie, Institut für Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie, Professur Psychologie des Lehrens und Lernens
Einrichtung
TU Dresden
Laufzeit
01.01.2016 – 30.06.2019
Fördervolumen
212.000 € (Qualitätsoffensive Lehrerbildung, BMBF)
Ausgangslage
Die Schule als Institution versucht von jeher in jahrgangshomogenen Klassen soziale Heterogenitätsdimensionen wie Geschlecht, soziale Herkunft, Kultur/Sprache sowie unterschiedliche psychische und physische Voraussetzungen zu integrieren (in Deutschland insbesondere zunächst durch die gemeinsame Grundschulzeit). Dieses Integrationsmotiv war und ist jedoch je nach historischer und gesellschaftlicher Lage mehr oder weniger nachgeordnet. Daher kam und kommt es zu evidenten Exklusionsprozessen von Schülerinnen und Schülern, die potentiell in institutioneller Diskriminierung münden und geminderte Schulleistung sowie psycho-soziale Probleme nach sich ziehen. Chancengerechtigkeit wird dabei als Ziel außer Acht gelassen und Heterogenität nicht als Bereicherung wahrgenommen und genutzt. So wächst ein nicht unerheblicher Teil der in Deutschland lernenden Schülerinnen und Schüler in zunächst bildungsfernen und kognitiv anregungsärmeren Elternhäusern auf, sodass schulrelevantes Vorwissen und Verhalten nicht schon von Beginn an vorausgesetzt werden können, sondern im Zeitverlauf vor allem durch die Schule hergestellt werden muss, um dauerhaft erhalten zu bleiben. Die Lehrerbildung ist dieser Entwicklung vorgeschaltet, denn sie beeinflusst bei angehenden Lehrkräften pädagogische Semantiken und Einstellungen und damit den Umgang mit Heterogenität. Das sächsische Bildungssystem ist mit seinem hohen Förderschulanteil und dem nach der Grundschulzeit fast vollständigen Fehlen von integrativ unterrichtenden Schulen im Bundesvergleich stark vertikal gegliedert. Für die Zukunft ist jedoch absehbar, dass auch in Sachsen integrativere Beschulung in heterogeneren Klassen in allen Schularten zunehmen wird. Neben der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung wird dazu auch die demographische Entwicklung im Freistaat beitragen, die die Aufrechterhaltung einer ausdifferenzierten Gliedrigkeit des Schulsystems in peripheren Regionen er- schweren wird. Im Vergleich vor allem zu westdeutschen Bundesländern ist die sächsische Bevölkerung dabei vor allem in ethnischer und kultureller Hinsicht sehr homogen. Bei der Auseinandersetzung mit einer heterogenen Schülerschaft kann daher nicht selbstverständlich auf umfangreiche lebensweltliche Erfahrungen mit Heterogenität und Vielfalt zurückgegriffen werden.
Ziele
Unabweisbar geht es in den nächsten Jahren in Sachsen darum, entgegen pädagogischer Traditionen und eingelebter Einschätzungen in der Lehrerschaft des Bundeslandes, ein Lernen und Lehren in Vielfalt zu ermöglichen, Heterogenität als Bereicherung zu erleben und daher binnendifferenzierende, individualisierte Formen des Lernens, die nicht selegieren, sondern über gemeinsames Lernen Teilhabe aller ermöglichen, zu etablieren. Deshalb soll es im Vorhaben Ziel sein, Heterogenität in ihren Dimensionen als Aufgabe der TULehrerbildung von An- fang an zu thematisieren und zwar dadurch, dass:
- Hindernisse, Schwierigkeiten und Vorbehalte identifiziert werden, die gegen eine Umsetzung von binnendifferenzierenden, heterogenen Lehr-Lernsettings sprechen;
- Studierende für die verschiedenen Dimensionen von Heterogenität in der Schülerschaft sensibilisiert werden;
- Studierende im Hinblick auf die Möglichkeiten pädagogischer Konzepte für den Umgang mit Heterogenität gerade auch beim Lernen im Fach qualifiziert werden.
Ansatz
Mit dem Vorhaben wird die Herausforderung einer heterogenen Schülerschaft für das Schul- und Unterrichtsgeschehen auf eine grundsätzliche Weise thematisiert. Ausgehend von einer empirischen Bestandsaufnahme der Überzeugungen, Einstellungen und Erfahrungen mit Heterogenität bei angehenden Lehrkräften und erfahrenen Lehrpersonen soll eine Sensibilisierung in Gang gesetzt werden. Zugleich sollen diagnostische Kompetenzen und didaktische Expertise für die Umsetzung individualisierten Lernens im Fach vermittelt und ein Repertoire an Unterrichtsstrategien gelegt werden.
Arbeitsprogramm
Phase 1: Quantitative und qualitative Erhebung zur Identifikation von Konzepten und Vorstellungen (Impliziten Theorien) zu Heterogenität sowie von Strategien im Umgang mit Heterogenität bei Lehrkräften unterschiedlicher Fächer sowie Studierenden;
Phase 2: Konzeption von Einführungs- wie Vertiefungsveranstaltungen (sozialwissenschaftliche und psychologische Perspektiven auf Heterogenität, Diagnose unterschiedlicher Lernvoraussetzungen, Erweiterung des Unterrichtsrepertoires im Umgang mit Vielfalt im Fach);
Phase 3: Erprobung der Lehrangebote und Evaluation der Maßnahmen.
Verwertungsplan
Die geplanten Befragungsstudien liefern ein empirisches Fundament für den Umgang mit der Heterogenität von Schülerinnen und Schülern in der Lehreraus- und -weiterbildung. Im Rahmen des Projekts werden Lehrformate erprobt, die konkret auf die sächsische Situation zugeschnitten sind und die in Form von Lehr- und Diagnosematerial auch weiteren Akteuren zur Verfügung gestellt werden können.
Ausblick
In der zweiten Förderperiode sollen die erarbeiteten Konzepte, die sich bereits in einer Pilotphase bewähren mussten, strukturell in die bereits vorhandenen Modulstrukturen in der Lehrerbildung an der TU Dresden verankert und in Form von Fortbildungen auch für erfahrene Lehrpersonen angeboten werden. Hierbei ist sowohl eine fachübergreifende, als auch eine fächerspezifisch ausdifferenzierte Beschäftigung mit Heterogenität im Unterricht vorgesehen. Dieser Prozess wird mit quasiexperimentellen Designs wissenschaftlich evaluiert.