Professor Dr. Walter Griesing verstorben
11. Juni 2025

Foto: Pixabay/EvgeniT
Die Fakultätsleitung hat die traurige Mitteilung erhalten, dass Professor Dr. Walter Griesing am 12. April 2025 verstorben ist.
Prof. Dr. Walter Griesing
* 4. Juli 1923
† 12. April 2025
Professor Griesing war von 1972 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1988 an der Universität Hamburg am Fachbereich Erziehungswissenschaft in der Mathematikdidaktik tätig.
Die Fakultätsmitglieder werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
Nachruf
Am 12. April 2025 verstarb im gesegneten Alter von 101 Jahren und 9 Monaten und 8 Tagen friedlich Prof. Walter Griesing.
Von 1972 bis 1988 arbeitete er als Mathematikdidaktiker am damaligen Fachbereich Erziehungswissenschaft. In diese Zeit fiel ein massiver Umbruch der noch sehr jungen mathematikdidaktischen Forschung, die sich – beeinflusst durch den Sputnikschock – vor die Aufgabe gestellt sah, den bisherigen „Rechenunterricht“ von einem modernen Mathematikunterricht abzulösen. Die Mengenlehre und damit einhergehend ein hoher Anspruch an die Verwendung von Sprache erwuchsen sehr viel weniger aus alltäglichen und vertrauten Bezügen der Kinder wie dem Umgang mit Zahlen. Es gab damals Schulbücher für die erste Klasse, in denen die ersten zwei Drittel des Buches sich allein der Mengenlehre widmeten. Kinder mussten lernen zu unterscheiden, ob ein Plättchen rot und dreieckig bzw. rot oder dreieckig war. Walter Griesing setzte sich intensiv mit diesem Umbruch auseinander. Er schrieb gemeinsam mit W. K. Schady Erläuterungen zu den Rahmenplänen der Kultusminister 1968 und setzte sich fachübergreifend mit dem Sachunterricht auseinander. Ein Schwerpunkt seiner Überlegungen war das Verständnis der Schülerinnen und Schüler. Deshalb lehnte er eine übermäßig starke Orientierung der Sprache am Fach Mathematik, wie es einige Befürworter der Mengenlehre einforderten, ab, mit dem Ziel Begrifflichkeiten im Spannungsfeld zwischen Kindorientierung und Fachorientierung einzuführen. In diesem Zusammenhang setzte er sich auch mit den Zahlwörtern und ihrer geschichtlichen Entwicklung auseinander. „Versteht ein Schüler die sprachliche wie die schriftliche Darstellung der Zahlen richtig – heute sagt man wohl auch: wird ihm deren Struktur oder Strukturprinzip transparent –, wenn er beides nur in einer Ausprägungsform kennenlernt? Muss ein Schüler nicht, soll er eine selbständig denkende Persönlichkeit werden, die Möglichkeit haben, auch scheinbar selbstverständliche Dinge wie Zahlwörter und Zahlschrift auf ihr Sosein und ihr Gewordensein hin zu befragen?“ (Griesing 1976). Er unterstrich die Bedeutung eines Mathematikunterrichts, der das Denken der Kinder anregt und an die „Welt der Schüler“ anknüpft.
Personen im Alter von Walter Griesing sind nur wenig über digitale Medien auffindbar. Aber wenn man sich mit seinen Texten befasst wird deutlich, dass viele Überlegungen an Aktualität nichts verloren haben. Walter Griesing hat sich auch lange nach seinem Ausscheiden aus der Fakultät mit mathematikdidaktischen Fragen befasst. Regelmäßig nahm er an Vorträgen der Mathematischen Gesellschaft teil, die gemeinsam mit der William-Stern-Gesellschaft Hamburg e.V. angeboten wurden. Er war ein ausgesprochen humorvoller Mensch, er ist viel gereist, interessierte sich für Menschen und war offen für unterschiedliche Ansichten.
In seinen Seminaren machte er immer wieder deutlich, wie wichtig es ist auf die Kinder einzugehen und ihre Denkprozesse anzuregen und zeigte gleichzeitig seine hohe Wertschätzung für die Mathematiklehrkraft in der Grundschule. Dabei gab er immer wieder sehr gut umsetzbare methodische Hinweise.
Neben seinem fachlichen Engagement war Prof. Griesing in der akademischen Selbstverwaltung sehr engagiert:
- 1973-1975 Vorsitzender des Fachausschusses für Didaktik der Mathematik und der Naturwissenschaften
- 1978 Stellv. Fachbereichssprecher
- 1980-1981 Vorsitzender des Fachausschusses für Didaktik der Mathematik und Naturwissenschaften
- 1981-1982 Stellv. Vorsitzender des Fachausschusses für Didaktik der Mathematik und Naturwissenschaften
- 1985-1987 Institutsdirektor
Die Fakultätsmitglieder werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
Prof. Dr. Marianne Nolte und das Dekanat der Fakultät für Erziehungswissenschaft