„Versprachlichung ist hier der Dreh- und Angelpunkt“Wie kann sprachbewusster Geographieunterricht gelingen?
27. Juni 2025

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Geographieunterricht und Karten gehören zusammen, keine Frage. Doch was ist eigentlich sprachbewusster Geographieunterricht, wie können Lehrkräfte sprachbewusst mit Karten umgehen und warum ist das überhaupt wichtig? Ein Blick in die Geographiedidaktik zeigt, dass es sich lohnt, Sprachbewusstsein im Fachunterricht im Blick zu haben und wie das Thema konkret im Unterricht umgesetzt werden kann.
Karten sprechen eine eigene Sprache
Das Arbeiten mit Karten ist ein Alleinstellungsmerkmal der Geographie. Das Beschreiben, Erklären, Diskutieren und Verstehen einer Karte erfolgt – wie in anderen Fächern auch – über Sprache. „Sprach- und Fachunterricht gehen Hand in Hand. Jeder Fachunterricht ist auch Sprachenunterricht. Der sprachbewusste Geographieunterricht möchte dazu systematisch beitragen,“ so Neli Heidari, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Didaktik für Geographie der Universität Hamburg. Sprache ist also das zentrale Medium des Unterrichts. Doch auch darüber hinaus spielt Sprache im Geographieunterricht eine besondere Rolle: Als nicht-kontinuierliche Texte haben Karten beispielsweise eine ganz eigene Sprache. Die hohe Dichte raumbezogener Informationen muss gelesen, verstanden und übersetzt werden. Auch das Kartenzeichnen kann als eine Art Textschreiben verstanden werden: man benötigt die nötige Grammatik und das Vokabular, um eine Karte zeichnen zu können. Dazu braucht es Kompetenzen, die über eine fachliche Kompetenz hinausgehen: Sprachkompetenzen.
Von der Lesekompetenz bis zum mentalen Konzept
„Es ist wichtig, dass Schüler:innen Strategien an die Hand bekommen, wie sie Schritt für Schritt die Legende dekodieren, um die Karte lesen zu können. Diese Lesekompetenz ist für den sprachbewussten Geographieunterricht entscheidend,“ erklärt Neli Heidari. Haben Schüler:innen einmal diese Lesekompetenz erworben, brauchen sie Sprache, um ihr Verständnis, also ihre mentalen Vorstellungen und Konzepte von Karten, zu verbalisieren: „Man kann das Konzept verstehen, aber mit Sprachbarrieren kann man der Lehrkraft nicht zeigen, ob man es verstanden hat oder nicht. Die Versprachlichung ist hier der Dreh- und Angelpunkt. Und wenn Lehrkräfte Schüler:innen dabei nicht unterstützen, sich sprachlich zu äußern, werden sie abgehängt, fühlen sich nicht inkludiert und können nicht am Unterricht teilnehmen.“ Sprachbewusstsein im Fachunterricht ist daher eine Voraussetzung dafür, der sprachlichen Heterogenität von Schüler:innen mit unterschiedlichen Sprachkompetenzen innerhalb einer Lerngruppe gerecht zu werden und allen Schüler:innen die Möglichkeit zu geben, am fachlichen Unterricht teilzunehmen.
Sprachbewusster Geographieunterricht in der Praxis
Obwohl die Arbeit mit Karten essenzieller Bestandteil des Geographieunterrichts ist, findet Sprachbildung im Kontext Karte nur wenig statt (Artikel auf Englisch) – sowohl in der Forschung als auch in der Lehrkräfteausbildung. Um Lehrkräfte dabei zu unterstützen, die bestehende Forschung im Klassenraum mit Leben zu füllen, hat Neli Heidari gemeinsam mit Johannes Heuzeroth, Fachleiter für Geographie am Zentrum für Lehrkräftebildung Münster, den Methodenband „Sprachbewusst mit Karten arbeiten“ (erschienen im Westermann Verlag, Kosten 31€) herausgegeben. „Sowohl im Studium als auch in der Praxis fehlt es angehenden Lehrkräften oft an grundlegenden Methoden und Strategien, wie sie Sprachbewusstheit konkret im Unterricht umsetzen können,“ bemerkt Neli Heidari. Daher sei es wichtig, Lehrkräfte in der Erstellung von Unterrichtsmaterialien zu entlasten. Ferner müsse auch in der Lehrkräfteausbildung dafür sensibilisiert werden, dass jedes fachliche auch ein sprachliches Lernziel verfolgt. Der Methodenband bietet hierzu eine Reihe an Strategien: Von mehrsprachigen Glossaren, der Bereitstellung von Satzbausteinen bis hin zu Argumentations- und Strukturierungsstützen. Der Transfer in die Praxis macht deutlich, dass eine sprachbewusste Perspektive im Geographieunterricht keine Abstriche beim Fachlichen macht: „Der Umgang mit Karten ist etwas urgeografisches und die Forschung zu Sprachbewusstheit in diesem Fach ist keine rein sprachwissenschaftliche Arbeit. Es geht immer noch um Didaktik der Geographie, um Karten und wie man sie lesen und die Inhalte versprachlichen kann. Sprachbewusste Ansätze am Beispiel Karte aufzuzeigen ist eigentlich etwas sehr Schönes!“