„Willkommen an Bord“„Theaterpädagogische Praxis soll Menschen miteinander in eine Auseinandersetzung bringen“Mira Sack verstärkt die Erziehungswissenschaft
3. September 2025

Foto: Claudia Bickel
Mira Sack ist von der Zürcher Hochschule der Künste nach Hamburg gekommen und wird ab September 2025 eine Professur an der Fakultät für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt „Didaktik des Faches Theater“ antreten. Im Interview reden wir mit ihr über ihre Rückkehr nach Hamburg, die gesellschaftliche Relevanz performativer und dialogischer Praktiken sowie ihre Pläne an der Uni Hamburg.
Ihr Weg als Wissenschaftlerin in fünf Sätzen?
Den ersten Kontakt mit wissenschaftlichem Arbeiten hatte ich im Rahmen meines Studiums an der Universität Hamburg. Meine Diplomarbeit zu unterschiedlichen Konzepten ästhetischer Bildung im Theaterspiel mit nicht-professionellen Darsteller:innen war für mich ein Einstieg in die eigene wissenschaftliche Arbeit. Im Anschluss daran habe ich an der Hochschule der Künste Berlin Theaterpädagogik studiert und mich in die künstlerische Praxis vertieft. Begleitet war dies jeweils von dem Anliegen, mit und für Kinder und Jugendlichen Theater so zu entwickeln, dass es lebendig, dialogisch und reflexiv die Augen für andere Wirklichkeiten als die bereits bekannten öffnet. Am Graduiertenkolleg „Ästhetische Bildung“ der DFG habe ich begonnen systematisch danach zu fragen, wie Probenprozesse bildungsrelevant werden können. Was macht eine Theaterprobe eigentlich zu einer guten Probe? Wo liegen in künstlerischen Praktiken Qualitäten, die für pädagogisches Handeln relevant werden können? Welche didaktischen Strategien lassen sich daraus ableiten?
Wie beschreiben Sie Ihr Forschungsgebiet in wenigen Sätzen?
Theaterpädagogische Forschung ist per se an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Disziplinen, Methodologien und Diskursen beheimatet. Da der Gegenstandsbereich Theaterpädagogik künstlerische und soziale Dimensionen des Handelns konstitutiv miteinander verbindet, treffen in der Forschung Fragen um ästhetische Bildung auf gesellschafts- und sozialwissenschaftliche Theorien, theaterpraktische Analysen auf Fragestellungen der Vermittlung oder fachdidaktische Aspekte auf bildungsphilosophische Erörterungen. Ich halte aktuell die Untersuchung und Weiterentwicklung von performativen, dialogischen Praktiken für wegweisend, da sie es erlauben, sich unmittelbar in gesellschaftliche Transformationsprozesse zu involvieren und soziale Räume mitzugestalten.
Wie erklären Sie Ihre Forschung ganz einfach verständlich?
Theaterpädagogische Praxis soll Menschen miteinander in eine Auseinandersetzung bringen. Der Kontakt findet ganz konkret über den Körper, den Raum, die Phantasie statt und spielt mit Möglichkeiten, Dinge anders zu erleben, zu denken, zu zeigen. Wie kann dieser Lernprozess für die gesellschaftlichen Aufgaben von heute relevant werden?
Zu welchen aktuellen gesellschaftlichen Themen oder Herausforderungen möchten Sie Ihre wissenschaftliche Expertise beitragen (und wie)?
Aktuell beschäftigen mich besonders die Tendenzen der Spaltung zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppierungen. Polarisierungen, die im Zuge der Globalisierung zunehmen und in kriegerischen Auseinandersetzungen, dem Missbrauch der Umwelt und einer narzisstischen Selbstbezogenheit sichtbar werden, bedrohen die Zukunftsfähigkeit unseres Planeten. Die Suche nach Wegen, diese Entwicklung zu drehen, vermittelnd zwischen unterschiedlichen Fronten wirksam werden zu können ist eine zentrale Herausforderung im pädagogischen Bereich. Insbesondere in der Schule können Kinder und Jugendliche mit sehr unterschiedlichen Wertvorstellungen erreicht werden und miteinander ins Handeln kommen. Dieses Handeln ist politisch zu verstehen und soll dazu beitragen, mündig zu werden. Dabei ist es mir ein Anliegen, Theaterpädagogik weniger ausgehend vom schauspielerischen Handwerk zu verstehen, sondern vielmehr die Interaktion und inhaltliche Auseinandersetzungen im Rahmen künstlerischen Experimentierens zu fokussieren.
Worauf dürfen Studierende sich freuen oder gespannt sein?
Die 4000 Murmeln, die ich mitbringe. Einen Tiefenbohrer. Etwas Draht für verschiedene Einsatzbereiche.
Was wollen Sie an der Universität Hamburg oder von der UHH ausgehend bewirken, bspw. in Bezug auf Lehre, Transfer, Nachhaltigkeit etc.?
Eine zentrale Aufgabe wird sein, die Fachdidaktik des Unterrichtsfachs Theater für alle Schulstufen inklusive dem Bereich Sonderpädagogik auszuarbeiten. Hier will ich die Fragen nach einer Zukunft von Bildung als Motor nehmen, um eingespielte, bekannte Denk- und Handlungsmechanismen kritisch zu befragen und eine alternative Position zu entwickeln. Mein Wunsch wäre, die Lehrer:innenbildung in Hamburg als impulsgebend für den deutschsprachigen Diskurs rund um das Schulfach Theater zu positionieren.
Eine gute Vernetzung mit der Hochschule für Musik und Theater, wo die künstlerischen Fächer gelehrt werden, ist mir dabei ein ebenso wichtiges Anliegen wie die enge Kooperation mit dem Landesinstitut für Qualifizierung und Qualitätsentwicklung in Schulen und selbstverständlich den Schulen, Einrichtungen der Kulturellen Bildung und zivilgesellschaftlichen Organisation der Stadt Hamburg.
Wie sieht Ihre internationale Zusammenarbeit aus, mit welchen Universitäten oder Institutionen arbeiten Sie zusammen?
Es freut mich sehr, dass zeitgleich mit meinem Anstellungsbeginn der EU-Antrag für „theatre SPACES“, ein Erasmus Mundus Joint Master (EMJM), bewilligt wurde. Die UHH ist hier als assoziierter Partner Teil des Programms und verantwortet zusammen der Western Norway University of Applied Sciences in Bergen, dem Trinity College Dublin/Irland, der University of Arts Targo-Mures in Rumänien und der Academy of Performing Arts in Prag, Tschechien, das erste internationale Masterstudium für Theaterpädagogik.
Als Co-Gründerin des internationalen Netzwerks „Performing Arts in Contexts“ (PAC) freue ich mich ebenso darauf, hier den kontinuierlichen Austausch mit Hochschulkolleg:innen aus anderen Ländern fortzusetzen, insbesondere mit jenen aus der Ukraine und aus dem Libanon, aber selbstverständlich auch mit jenen aus Österreich, Kanada und natürlich aus der Schweiz.
Worauf freuen Sie sich in Hamburg?
Die erweiterten Horizonte: am Himmel, in der Kulturlandschaft, im professionellen Feld.