Junge ForschungWie vollzieht sich „Graphieren“ in sozialarbeiterischen Beratungsprozessen?Dennis Hölzer im Gespräch
19. September 2025

Foto: Privat
„Graphieren“ meint ein begleitendes Visualisieren und Aufzeichnen im Kontext von Beratungsprozessen. Wie lässt sich Beratung dahingehend angemessen erforschen? Wie setzen Sozialarbeiter:innen in Beratungsprozessen visuelle Mittel ein und was bedeutet das für Ratsuchende? Zu diesen Fragen forscht Dennis Hölzer, Promovierender an der Uni Hamburg und Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HAW Hamburg, und berichtet dazu im Gespräch mit Markus Friederici, Leiter der Graduiertenschule.
Worum geht es in deiner Arbeit?
Ich habe Beratungsgespräche in der Sozialen Arbeit per Video aufgenommen. Dabei habe ich mich gefragt, was es für das Gespräch bedeutet, wenn die Beratungsperson Visualisierungen nutzt und Aufzeichnungen erstellt. Außerdem habe ich die entstanden Videos den Teilnehmenden nach ihrem Gespräch zur Verfügung gestellt, ihnen die gleiche Frage gestellt und sie wiederum bei ihren Antworten gefilmt. Die Arbeit wurde kooperativ begleitet durch Harald Ansen, Professor am Department Soziale Arbeit der HAW Hamburg, der leider tragisch und plötzlich im letzten Jahr verstarb und Andrea Sabisch, Professorin der Fakultät für Erziehungswissenschaften der Universität Hamburg mit den Schwerpunkten Kunstpädagogik und Visuelle Bildung
Welche Ergebnisse hast du erhalten?
Ich war überrascht wie weitreichend die Änderungen für die Interaktion und den Beratungsprozess sind, je nachdem wie die Beratungsperson im Einzelnen vorgeht. Sie kann durch Aufzeichnungen den Prozess steuern, also sich z. B. Redeanteile sichern, Aufmerksamkeit ausrichten und sehr didaktisch vorgehen. Sie kann gleichzeitig Inhalte visuell in der Fläche verknüpfen und so Anregungen bieten, die ein rein verbales Vorgehen deutlich erweitern. Gleichzeitig zeigt sich, wie Ratsuchende auf das Vorgehen leiblich und sprachlich antworten, sich Inhalte manchmal ironisch und sehr kreativ aneignen. Die Beteiligten bringen so gemeinsam eine Szene hervor, die den weiteren Beratungsverlauf prägt.
Welche Relevanz haben deine Ergebnisse für konkrete Praxisfelder?
Ungleichheit in der Verteilung von institutioneller Macht und Wissen ist grundlegend für Beratungsgespräche in der Sozialen Arbeit. Meine Ergebnisse zeigen, wodurch sich Machtverhältnisse vermitteln und welche Wege des Ausgleichs es für Beratende gibt. Zudem wird deutlich, welche vielfältigen Möglichkeiten Visualisierungen und Aufzeichnungen für Beratung zusätzlich zur Sprache bieten, wenn Sie reflektiert genutzt werden.
Gibt es eine Quintessenz deiner Arbeit?
Sprechend und zeigend vorzugehen, gerade in einem so kooperativen Prozess wie der Beratung, erscheint unhintergehbar und zutiefst menschlich. Ich zeige, wie sich methodisches Handeln in Beratungsprozessen erforschen und darstellen lässt, und mache gleichzeitig auf deren Limitierungen aufmerksam.
Was würde der Sozialarbeiter dem Wissenschaftler Dennis raten?
Er würde sich freuen, wenn noch mehr alltagsnahe Phänomene in den Blick geraten und durch ungewöhnliche Videoaufzeichungen und veränderte Konstellationen in einem ganz neuen Blickwinkel erscheinen könnten, um sie so zu hinterfragen.
Was rät der Wissenschaftler Dennis Sozialarbeiter:innen?
Es ist wirklich nützlich, stets Stift und Papier griffbereit zu haben und Erfahrungen mit Visualisierungen zu sammeln, jenseits guter verbaler Kommunikation. Geht man zudem davon aus, dass ein Beratungsergebnis nur gemeinsam hergestellt werden kann, dann macht es Sinn, Ratsuchende mit einfach umzusetzenden Mitteln einzubeziehen, also z. B. durch angemessene Sitzpositionen, unterstreichende Gestik, einen Sichtzugang zu Aufzeichnungen und Dokumenten größere Anschaulichkeit zu erreichen.
Dennis Hölzer, Dipl. Päd., wiss. Mitarbeiter an der HAW Hamburg, Fakultät für Soziale Arbeit und Kindheitspädagogik und Promovierender an der Uni Hamburg. Mehrjährige Praxis in der Sozialpsychiatrie und als Dozent für Kreativtherapie. Seine thematischen Schwerpunkte in Forschung und Lehre umfassen Gesprächsführung und Beratung, methodisches Handeln und die Medialität der Erfahrung.

