Nachruf auf Prof. Dr. Ulrich Fiedler
24. September 2025

Foto: Pixabay/EvgeniT
Die Fakultät für Erziehungswissenschaft trauert um
Prof. Dr. Ulrich Fiedler
* 19. Mai 1939 † 6. August 2025
Am 6. August 2025 ist Prof. Dr. Ulrich Fiedler im Alter von 86 Jahren verstorben. Er war von 1978 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2002 Professor für Grundschulpädagogik an der Universität Hamburg.
Nach einem Lehramtsstudium an der Hochschule für Erziehung in Gießen hatte er zunächst in einem Lycée in Frankreich unterrichtet und parallel ein Studium der Soziologie und Philosophie an der Universität von Nancy aufgenommen. Für die zweite Staatsprüfung als Lehrer kehrte er nach Hessen zurück. Die Verbindung mit Frankreich prägte seine Arbeit jedoch nachhaltig. Später, als Professor in Hamburg, arbeitete er eng mit dem Deutsch-Französischen Jugendwerk zusammen und leitete mehrere internationale Projekte zur didaktischen Forschung und zu den unterschiedlichen schulpädagogischen Traditionen beider Länder. Aber zunächst unterrichtete er mehrere Jahre an einer Grund-, Haupt- und Realschule in Hessen, bevor er als pädagogischer Mitarbeiter an die Universität Frankfurt am Main abgeordnet wurde. Am dortigen Institut für Schulpädagogik und Didaktik der Elementar- und Primarstufe forschte er über soziale Ungleichheiten in der Grundschule und darüber, wie diesen in der Schule entgegengewirkt werden kann. Diese Fragen sind für die Funktion von Schule in einer demokratischen Gesellschaft auch heute noch hoch Relevant. In seiner Promotion, die zugleich als Habilitation anerkannt wurde, befasste er sich mit den Arbeiten von Jean Piaget und rückte die sozialen Grundlagen kognitiver Entwicklung in den Mittelpunkt. Ulrich Fiedler sah in der komplexen Beziehung zwischen kognitiver und sozialer Entwicklung des Kindes den Ausgangspunkt einer Didaktik der Grundschule. In seiner Forschung analysierte er die Interaktion zwischen Kindern, die bei der Lösung von Aufgaben zusammenarbeiteten. Die Art und Weise, wie die Kinder eigene und fremde Perspektiven mitteilen, auffassen und koordinieren, lässt, so Fiedler, Bedeutungen entstehen, die die Qualität des individuellen Denkens übersteigen. Daraus können Lernprozesse hervorgehen, die nicht nur den Gegenstand der Aufgabe betreffen, sondern auch grundlegende Bildungsprozesse ermöglichen. Ulrich Fiedler ging es in seiner didaktischen Forschung darum, das Kind als kommunikativ handelnde Person am Unterricht – und damit zugleich die kommunikative Vernunft am Wissenserwerb – systematisch zu beteiligen. Auch wissenschaftliche Forschung folgte für Ulrich Fiedler diesem Mechanismus. Seine Untersuchungen erforderten ausgefeilte Verfahren, um sowohl den kognitiven Gehalt kindlicher Äußerungen als auch die Dynamik der sozialen Interaktion zu erfassen und darzustellen. Diese Verfahren wurden in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftler:innen, Kolleg:innen und Studierenden entwickelt und angewendet. Stets betonte er, dass „seine“ Forschung eine kollektive, gemeinsame Arbeit war, die in ständiger, zuweilen kontroverser Diskussion voranschritt. Er bezog gerade Studierende als gleichgestellte wissenschaftliche Partner mit ein, die er förderte und forderte. Die Verbindung von Forschung, Lehre und Bildung, der sich die Universität Hamburg in ihrem Leitbild verpflichtet, nahm Ulrich Fiedler wörtlich. Bei ihm zu studieren bedeutete, mit ihm zu forschen und in wissenschaftlichen Streit zu treten. Aus diesen Begegnungen entstanden enge kollegiale und freundschaftliche Beziehungen, die er bis zu seinem Ableben pflegte.
Die Fakultät für Erziehungswissenschaft nimmt Abschied von einem engagierten Wissenschaftler und inspirierenden Hochschullehrer. Wir werden Prof. Dr. Ulrich Fiedler ein ehrendes Andenken bewahren.
Dr. Javier Carnicer
Kolleginnen und Kollegen des Fachbereichs sowie
Prof. Dr. Claus Krieger, Dekan