Neues DFG-Projekt zu Comics als BildungsmedienProf. Sylvia Kesper-Biermann untersucht Comics und Kontexte der 1960er-1980er Jahre
16. Juli 2021
Foto: unsplash/hans isaacson
Vor dem Hintergrund der aktuellen Expansion von Comics in der pädagogischen Praxis untersucht ein neues Forschungsprojekt „Comics als Bildungsmedien in der Bundesrepublik Deutschland“ von der Mitte der 1960er bis zum Ende der 1980er Jahre. Für das Projekt hat Prof. Dr. Sylvia Kesper-Biermann von der DFG Drittmittel in Höhe von rund 200.000 Euro eingeworben. Der Projektbeginn ist voraussichtlich im Herbst 2021, die Laufzeit beträgt drei Jahre.
Comics finden seit den 2000er Jahren in Deutschland verstärkt Aufmerksamkeit in pädagogischer Praxis und Forschung. Vor allem die Fachdidaktiken diskutieren die Möglichkeiten und Grenzen ihrer schulischen Verwendung in einem breiten Spektrum an Unterrichtsfächern. In Deutschland gab es zwei Phasen, in denen intensive pädagogische Debatten über Comics und ihre Bedeutung für Bildungsprozesse geführt wurden. In den 1950er Jahren wurden sie für vielfältigste Probleme, von Analphabetismus bis zur „Zersetzung der Moral“, verantwortlich gemacht. In den 1970er Jahren fand ein Wandel statt, im Zuge dessen dem Comic nun sogar ein eigenständiger Bildungswert zugesprochen wurde. Was die Ursachen für diese Veränderungen in der Pädagogik waren, wer sich vom Ende der 1960er bis zur Mitte der 1980er Jahre mit welchen Argumenten für die Vorzüge von Comics als Bildungsmedien aussprach und inwiefern sie Eingang in die Bildungspolitik fanden, ist bislang nicht bekannt.
Dieser Forschungslücke widmet sich das Projekt und erschließt ein neues Forschungsfeld für die (zeit-)historische Bildungsforschung. Mithilfe der Historischen Diskursanalyse untersucht Prof. Kesper-Biermann unterschiedliche gedruckte Quellen wie Monografien, Broschüren, Zeitschriftenaufsätze, Bildungspläne und Rahmenrichtlinien sowie archivalische Quellen aus der staatlichen Bildungspolitik und –verwaltung Hessens.
Das Forschungsprojekt verfolgt dabei vier Ziele: Erstens geht es um die Analyse der Debatte über Comics in pädagogischen Kontexten. Dabei stehen die gesellschaftlichen Aushandlungen über Bildergeschichten, ihre Schwerpunkte und Verschiebungen sowie die daran beteiligten Akteur:innen im Mittelpunkt. Zweitens soll am Beispiel Hessens untersucht werden, in welcher Art und Weise diese Überlegungen Eingang in die rechtliche Normierung von staatlich-institutionalisierter (Schul-)Bildung wie Rahmenrichtlinien oder Bildungspläne fanden. Drittens werden Ursachen, Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen sowohl für die zu- als auch die wieder abnehmende Konjunktur von Comics in Bildungskontexten analysiert. Dabei werden viertens auch transnationale Verflechtungen in den Blick genommen.
Mit der Rekonstruktion der Geschichte pädagogischer Comic-Diskussionen leistet das Forschungsprojekt damit auch eine Grundlage für die Einordnung aktueller Diskussionen darum, wie und warum Comics in Bildungskontexten verwendet werden.