Nachruf auf Prof. Dr. Hermann J. Kaiser
9. August 2021
Foto: UHH/EW
Am 4. August 2021 ist Prof. Dr. Hermann J. Kaiser im Alter von 83 Jahren verstorben.
Hermann J. Kaiser studierte Komposition, Schulmusik, Philosophie, Erziehungswissenschaft, Musikwissenschaft und Germanistik in Bonn und Köln. 1963-1966 lebte er als freier Komponist in Schweden. Nach Schuldienst und Promotion 1969 (in Philosophie) war er bis 1971 Assistent am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Bonn. 1972-1973 war er Professor für Wissenschaftstheorie und Empirische Verfahren an der Universität Münster, dann von 1973-1976 Professor für Erziehungswissenschaft an der Hochschule der Künste Berlin (C4). 1976 wurde er auf eine Professor für Musikpädagogik an der Universität Münster (C4) berufen, bevor er 1988 an der Universität Hamburg bis zu seiner Emeritierung 2003 eine Professur für Erziehungswissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Musikpädagogik (C4) innehatte.
Hermann J. Kaiser nahm in der deutschen Musikpädagogik eine einzigartige Position ein, die nicht zuletzt durch seine Herkunft aus der Philosophie und der Allgemeinen Erziehungswissenschaft geprägt war; im anglophonen Sprachraum würde man ihn als herausragenden Vertreter einer „Philosophy of Music Education“ bezeichnen. Die zusammen mit E. Nolte verfasste Musikdidaktik von 1989 ist bis heute ein Standardwerk geblieben. Hermann J. Kaisers zahlreichen Studien zur Musikpädagogik als Wissenschaft, zum Musik-Lernen oder zur musikalischen Erfahrung – um nur einige Themen zu nennen – wurden in Auswahl 2018 als Gesammelte Aufsätze publiziert. Im selben Jahr erhielt er die Ehrendoktorwürde der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. In den 1990er Jahren war er aktives Mitglied im DFG-Graduiertenkolleg „Ästhetische Bildung“ an der Fakultät für Erziehungswissenschaft. Innerhalb und außerhalb des Graduiertenkollegs entstand um Hermann J. Kaiser herum so etwas wie eine „Hamburger Schule“ der Musikpädagogik, die weniger thematisch, als vielmehr durch den intellektuellen Anspruch ihrer Arbeiten gekennzeichnet werden kann – nicht wenige ihrer Angehörigen wurden auf Professuren berufen.
Auch nach seiner Emeritierung blieb Hermann J. Kaiser publizistisch, sowie im „Arbeitskreis musikpädagogische Forschung“ (AMPF) und in der von ihm mitbegründeten „Wissenschaftlichen Sozietät Musikpädagogik“ (WSMP) aktiv. Noch 2018 war er als unverzichtbarer Autor im neuen Handbuch der Musikpädagogik vertreten. Kennzeichnend für das Arbeiten Hermann J. Kaisers war seine anhaltende Neugierde; an einem abgeschlossenen „Werk“ hatte er kein Interesse. Dies machte ihn bis zuletzt zu einem gefragten Gesprächspartner, gerade auch für musikpädagogische Nachwuchswissenschaftler:innen. Noch auf dem Krankenbett las er, der eingefleischte Kantianer, auf einmal Hegel, mit dem er zuvor wohl nur wenig anfangen konnte.
Hermann J. Kaiser vertrat in seiner Person ganz selbstverständlich eine Verbindung von Philosophie, Allgemeiner Erziehungswissenschaft und Musikpädagogik, die für das „Hamburger Modell“ paradigmatisch war. Schon deswegen ist sein Verlust unersetzlich.
Jürgen Vogt